Ein Sprung von Italien über den großen Teich für „Brooklyn: Monday Soundcheck“ – so jedenfalls beginnt die aktuelle Veröffentlichung, bei der Tiziano Tononi (drums) und Daniele Cavallanti (ney flute / tenor sax) auf den amerikanischen Kontrabassisten Joe Fonda, den Kornettisten Herb Robertson und den Posaunisten Steve Swell treffen.
Dieses transatlantische Ensemble kam zusammen, um eine Musik ganz im Geiste von Ornette Coleman einzuspielen. So wundert es auch nicht, dass als zweite Komposition „New York Funeral Blues … (for Ornette C.)“ auf dem Programm stand. Bei dieser Komposition war der Schlagzeuger Tiziano Tononi federführend. Das gilt auch für „Untitled # 1 (for Gil Evans)“. Auch mit diesem Stück verneigen sich die Musiker vor einem „Giganten des Jazz“. Ob „Song for Harry Miller“ wirklich ein Hohelied für den südafrikanischen Bassisten ist, muss der Rezensent annehmen. Die Liste derer, an die sich die Bandmitglieder erinnern und denen sie ihre Hochachtung entgegenbringen, setzt sich mit Andrew Cyrille fort, wenn „Cyrille, the inspirer“ erklingt. Dieser amerikanische Avantgarde-Schlagzeuger war der Lehrer von Tononi. Mit „Slaps, tones & drones (for Bill Dixon)“ lässt die Band eine der Lichtgestalten des Free Jazz wieder aufleben. Schließlich gibt es noch eine Begegnung mit Jim Pepper, einem Saxofonisten und Wegbereiter von Jazz Fusion. Er gehörte zu den First Nations, also zu einem der Völker der Ureinwohner des nordamerikanischen Kontinents, namentlich Kaw und Creek. Ihm riefen die Musiker schlicht zu „I see you now, Jim!“. Übrigens, das Saxofon Peppers gehört seit 2007 zur Sammlung des National Museum of the American Indian in Washington, D.C., gleichsam eine nachhaltige Erinnerung an einen Musiker, der zu den nordamerikanischen „Ureinwohnern“ zählte.
Wenn man nach langer Zeit Freunde trifft, dann muss man sich austauschen, sich langsam wieder aneinander gewöhnen und hat sich viel zu erzählen. So haben es denn auch die Musiker getan und erst einmal eine Abstimmung ihrer Klangwelten vorgenommen. Stimmengewirr, hier der dumpf gestrichene Bass, dort die in Wallung geratenen Bläser, ist zu vernehmen. Höhen werden ausprobiert. Lautmalerei ersetzt wortreiche Unterhaltung. Es scheint, als wollten sich vor allem Kornett und Posaune den Spielraum streitig machen, ehe dann ein lyrischer Klangteppich ausgerollt wird, der ganz in der Tonfarbe des Tenorsaxofons gehalten ist. Ein letzter Schlag aufs Hi-Hat und dann ist Schluss mit dem Soundcheck in Brooklyn.
Nachfolgend wird vom Ensemble ausgelotet, wie wohl am ehesten an den Schöpfer des Free Jazz, Ornette Coleman erinnert werden kann. Zeitweilig gleicht dabei die Komposition „New York Funderal Blues …“ einem Klagegesang und irgendwie scheint auch die Musik durch, mit der der Zug des Leichenwagens durch die Straßen von New Orleans begleitet wird. Voller Wehmut klingt das, was Herb Robertson seinem Kornett entlockt, ehe dann alle Bläser sich zu einer Form von „Requiem“ vereinen. Ein Blues mag sich nicht so ganz entwickeln, da Tiziano Tononi am Schlagzeug für mächtig Wirbel sorgt. Eine tonale Grabrede scheint Steve Swell mit seiner Posaune zu halten, ehe dann Kornett und Saxofon kommentierend in diese Rede einfallen und weitere Klangworte an Ornette Coleman richten.
Wer denn vorschnell angenommen hat, die Hommage an den Schlagzeuger Andrew Cyrille sei eine ausschließliche Angelegenheit von Tiziano Tononi, der liegt gänzlich daneben. Ihm war zwar der erste Trommelschlag vorbehalten, aber dann hört man Joe Fonda mit seinem knarzenden Kontrabass. Schrill äußern sich die Bläser dazu. Nur hier und da vernimmt man ein wirbelndes Schlagwerk. Die Posaune schwillt in ihrem tieftönigen Klang an und wird dann wieder schweigsam. Danach begibt sie sich in ein Zwiegespräch mit dem Tenorsaxofon. Oh, da hören wir doch auch Flötentöne, derweil ein Schlägel auf die Trommel und die Becken niedersaust. Im weiteren Verlauf stellt sich eine Art Vogelkonzert ein, dank sei den Flöten, die da mit im Spiel sind. Drei sind es an der Zahl. Noch immer warten wir auf ein Schlagwerkfurioso, denn schließlich ist die Komposition von einem Avantgarde-Schlagzeuger inspiriert worden. Doch das Schlagwerk scheint nur Beiwerk. Im Fokus stehen andere.
Zum Schluss gibt es dann mit „I See You, Jim“ eine Art „Fanfarenintermezzo“ auf Jim Pepper zu hören. Schlagwerk und Bass bringen die Luft zum Vibrieren, ehe dann der Chorus der Bläser ein weiteres „Ständchen“ darbringt. Nachfolgend zeigt sich der Bass in den Händen von Joe Fonda sehr rhythmisch. Beim Zuhören hatte der Rezensent hin und wieder den Eindruck, dass betreffs der Harmonien auch ein wenig „African Market Place“ dargeboten wurde. Kurz waren diese Momente, ehe sich dann die Bläser aus dem „Chorus“ lösten. Viel Würze liegt in dieser Komposition, die m. E. auch ganz besonders verdeutlicht, dass Jazz von afrikanischen Rhythmen lebt – bis heute!